Werden stärkehaltige Lebensmittel hoch erhitzt und bräunen, bildet sich der Schadstoff Acrylamid. Wir beantworten Fragen zu ihm und sagen, in welchen Tests er auffiel.
Wie entsteht Acrylamid in Lebensmitteln?
Acrylamid entsteht, wenn stärkehaltige Lebensmittel beim Backen, Frittieren oder Braten bräunen. Dieser chemische Vorgang heißt Maillard-Reaktion. Dabei reagieren natürlich enthaltene Zucker wie Glukose mit Aminosäuren, vor allem mit Asparagin. Bei diesem Vorgang entstehen jede Menge erwünschter Aromastoffe – aber auch das schädliche Acrylamid.
In hohen Gehalten wiesen schwedische Wissenschaftler den Schadstoff erstmals 2002 in Lebensmitteln nach. Seitdem ist Acrylamid – ebenso wie sein Abbauprodukt Glycidamid – Forschungsgegenstand vieler wissenschaftlicher Untersuchungen.
In welchen Lebensmitteln kann viel Acrylamid vorkommen?
Acrylamid bildet sich vor allem in stärkehaltigen Lebensmitteln, die von Natur aus reich an Asparagin sind. Dazu gehören insbesondere Kartoffeln und Getreide, aber auch Kaffeebohnen.
Damit Acrylamid entsteht, müssen Temperaturen ab etwa 120 Grad Celsius im Spiel sein – je heißer und trockener, umso mehr Acrylamid bildet sich: zum Beispiel beim Rösten von Kaffeebohnen, aber auch beim Zubereiten vieler Kartoffelgerichte wie Pommes Frites, Brat- und Backkartoffeln oder Chips. Auch Knäcke- und Toastbrot, Kekse und Plätzchen, Crunchy-Müsli oder Zwieback sowie Getreidekaffee können betroffen sein (53 Lebensmittel im Schadstoff-Check).
Wo landet das Acrylamid aus der Nahrung im Körper?
Der Magen-Darm-Trakt nimmt Acrylamid aus der Nahrung auf, es verteilt sich danach in allen Organen. Diese verstoffwechseln es in hohem Maße. Dabei entsteht vor allem Glycidamid.
Wie gefährlich sind Acrylamid und sein Abbauprodukt Glycidamid?
In Langzeitstudien an Ratten und Mäusen haben sich Acrylamid und sein Abbauprodukt Glycidamid als krebserregend erwiesen. Die Tierversuche zeigten zudem, dass beides das Erbgut verändert. 2015 stufte die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (Efsa) Acrylamid in einem Gutachten als möglicherweise krebserregend für den Menschen ein.
Es lässt sich nach derzeitigen Kenntnissen kein Schwellenwert festsetzen, bei dessen Unterschreitung ein Risiko für den Verbraucher ausgeschlossen werden kann. Bei Stoffen, die wie Acrylamid das Potenzial haben, sowohl das Erbgut zu schädigen als auch Krebs auszulösen, könnten auch geringe Dosen gesundheitliche Risiken auslösen. Diese Risiken nehmen zu, je mehr Acrylamid aufgenommen wird. Die Wissenschaft hat die Wirkung von Acrylamid auf den Menschen noch nicht abschließend geklärt.
Sind Kinder besonders gefährdet?
Eltern sollten sich klarmachen: Im Verhältnis zum Körpergewicht sind Kinder den Risiken durch Acrylamid stärker ausgesetzt als Erwachsene. Kinder nehmen Acrylamid vor allem über Pommes Frites, Reibekuchen, Bratkartoffen und andere frittierte und gebratene Kartoffeln auf, aber auch über Toastbrot, Frühstückscerealien, Kekse, Kräcker und Knäckebrot, teilt die Efsa mit.
Deswegen gilt – auch für Erwachsene: Je weniger Acrylamid, desto besser. Unser Acrylamid-Check bei 53 Lebensmitteln hilft, herauszufinden, wie viel Acrylamid wir im Alltag aufnehmen und wie viel wir mit der Wahl wenig belasteter Produkte einsparen können.
Wer schützt Verbraucher vor Acrylamid?
Politik und Lebensmittelwirtschaft in Deutschland bemühen sich seit 2002 und europaweit seit 2011, die Acrylamid-Belastung in Lebensmitteln zu verringern. Behörden haben verschiedene Warengruppen, die mit Acrylamid belastet sind, erfasst und überwacht. Aus den Daten hat die Europäische Kommission Minimierungsstrategien und Richtwerte abgeleitet, um die Acrylamidgehalte in Lebensmitteln zu senken. Im April 2018 wurden die Richtwerte noch einmal verschärft.
Der Richtwert ist je nach Produktgruppe verschieden. Bei weichem Weizenbrot beträgt er zum Beispiel nur 50 Mikrogramm Acrylamid pro Kilogramm, bei Röstkaffee hingegen 400 Mikrogramm pro Kilogramm, bei Lebkuchen 800 Mikrogramm pro Kilogramm und bei Zichorien-Kaffee sogar 4 000 Mikrogramm je Kilogramm. Die Unterschiede ergeben sich aus den technischen Möglichkeiten, die Hersteller haben, um Acrylamid-Gehalte in ihren Produkten zu senken.
Wie lässt sich der Acrylamid-Gehalt bei Lebensmitteln senken?
Bäckereien, Gastronomen und Industrie müssen Vorgaben beachten, wenn sie Lebensmittel wie Backwaren oder Pommes frites herstellen. So dürfen etwa Pommes frites aus frischen Kartoffeln nur noch aus zuckerarmen Sorten hergestellt werden. Auf Tiefkühlprodukten müssen genauere Zubereitungsanweisungen stehen – etwa zu Temperatur und Bräunungsgrad. Bäcker müssen allzu dunkle Krusten vermeiden.
Kaffeeröstereien stehen vor der Schwierigkeit, dass beim Rösten von Kaffee nicht nur Acrylamid, sondern auch der Schadstoff Furan entsteht: Wenn sie den Acrylamid-Gehalt etwa durch Variieren des Röstgrads senken, bilden sich mehr Furane. Daher müssen Kaffeeröster besonders sorgfältig vorgehen (siehe auch Kaffeebohnen-Test).
Welche Lebensmittel hat die Stiftung Warentest zuletzt auf Acrylamid geprüft?
Kaffeebohnen. Im Kaffeebohnen-Test haben wir Acrylamid in allen Espresso- und Crema-Bohnen gefunden. Bei Kaffee zählt am Ende, wie viel Acrylamid in der Tasse landet – und da konnten wir entwarnen: Alle zubereiteten Espressi unterschritten den Richtwert für Kaffee.
Stärkehaltige Produkte. 2019 haben wir 53 verschiedene Lebensmittel auf Acrylamid untersucht: Knäckebrot und Zwieback, Kekse und Waffeln, Knuspermüsli und Kaffee-Ersatz, Kinderzwieback und -kekse, Cracker und Kartoffelchips. Böse Überraschungen gab es nicht, aber die Schadstoffnoten reichten von Sehr gut bis Ausreichend.
Pommes Frites. Beim Heißluftfritteusen-Test frittierten wir Pommes Frites. Egal, welches Gerät am Start war – alle Kartoffelstäbchen unterschritten den entsprechenden Richtwert der EU.
Gemüsechips. Im Gemüsechips-Test fanden wir in drei Produkten sehr hohe Gehalte an Acrylamid. Wir haben uns bei der Bewertung am Richtwert für Kartoffelchips orientiert, da es für die vergleichsweise neue Produktgruppe von Knabberchips aus Karotten, Rote Beete und Co noch keinen Richtwert gibt. Die festgestellten Acrylamidgehalte in den drei betroffenen Produkten führten zum Gesamturteil Mangelhaft. Dass es technisch möglich ist, Chips mit deutlich niedrigeren Acrylamidgehalten zu produzieren, zeigte die Konkurrenz im Test.
Laugenbrezeln. Im Test von tiefgekühlten Laugenbrezeln prüften wir auf Acrylamid, aber es stellte kein nennenswertes Problem dar.
Kartoffelchips. Unser Test von klassischen Kartoffelchips im Jahr 2013 hatte ein erfreuliches Ergebnis in puncto Acrylamid: Mit einer Ausnahme lagen alle Produkte deutlich unter dem Richtwert für Acrylamid in Kartoffelchips.
Wie lassen sich die Gehalte in Lebensmitteln senken, wenn Verbraucher sie selbst zubereiten?
Vollständig vermeiden lässt sich Acrylamid bei bestimmten Gerichten und Zubereitungsarten nicht. Es bildet sich bereits bei Temperaturen ab 120 Grad und steigt bei 170 bis 180 Grad deutlich an. Außerdem gilt: Je stärker man ein Produkt frittiert, bäckt oder grillt, desto mehr Acrylamid enthält es. Daher gilt die Faustregel „vergolden statt verkohlen“.
In früheren Tests haben wir durch Versuche klar belegen können: Man kann in der Küche selbst dazu beitragen, die Acrylamidgehalte zu reduzieren. Zum Beispiel sollten Toastliebhaber ihre Scheiben nur goldgelb rösten und nicht braun. Auch Pommes Frites und andere Kartoffelerzeugnisse sollten keine allzu dunkle Kruste haben.
Welche anderen Quellen für Acrylamid gibt es?
Die stärkste Quelle ist das Rauchen. Das Bundesinstitut für Risikobewertung schätzt, dass sich Raucher im Durchschnitt täglich mit 0,5 bis 2 Mikrogramm Acrylamid pro Kilogramm Körpergewicht belasten. Zum Vergleich: Über Lebensmittel nehmen Verbraucher in Deutschland im Schnitt 0,3 Mikrogramm Acrylamid pro Kilogramm Körpergewicht am Tag auf.
Wie sieht es mit Acrylamid in Lacken, Farben und Co aus?
Einige Industriezweige setzen Acrylamid bewusst ein. Es wurde 1949 erstmals synthetisiert und wird seit den 1950er Jahren vor allem zur Herstellung von Polyacrylamid verwendet, etwa als Flockungsmittel zur Aufbereitung von Wasser oder in der Papierindustrie als Bindemittel für Papier und Pappe, erläutert das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR).
Acrylamid ist auch ein Grundstoff, um Kunststoffe und Lacke herzustellen. Arbeiter, die direkt mit Acrylamid zu tun haben, können es einatmen; bei Kontakt mit Acrylamid sind Reizungen von Augen und Haut möglich, und die Haut kann für andere Stoffe sensibilisiert werden. In diesem Arbeitskontext können Menschen deutlich höhere Gehalte aufnehmen als über die Ernährung, Nervenschäden können die Folge sein.
Kommt Acrylamid auch in Kosmetika vor?
„Die Belastung des Verbrauchers mit Acrylamid aus kosmetischen Mitteln wird heute als unerheblich angesehen“, schreibt das BfR. Auf europäischer Ebene seien Regelungen getroffen worden, die den Restgehalt an Acrylamid deutlich beschränken. Früher kam es etwa in Körperpflegemitteln vor.
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@Neunzehn99: Pommes frites gehören zur Gruppe der Lebensmittel mit hoher Acrylamidbelastung. Bei Frittiertemperaturen von über 170°C steigen die Acrylamidwerte sprunghaft an. Oberhalb von 180° Celsius entstehen außerdem potentiell krebserregende Stoffe. Frittieren Sie Ihre Pommes nur bis sie goldgelb (ohne braune Spitzen) sind und saugen Sie überschüssiges Fett mit Küchenkrepp auf. Eine fettarme Variante sind in der Heißluftfritteuse oder im Backofen (180°C Umluft / 200°C Ober/Unterhitze) gebackene Pommes frites. Fritteusen-Fritten sind fast doppelt so fettig wie die Backofen-Pommes. Da Pommes viel Fett und Salz aber kaum Vitamine und Mineralstoffe enthalten, sollten man sich nicht allzu oft eine Portion genehmigen. (bp)
Danke für die ausführliche FAQ. Häufig werden spezifische Temperaturen für die Zubereitung von Speisen empfohlen, damit so wenig Acrylamid wie möglich entsteht. Das empfinde ich als verwirrend: Bei der Zubereitung von stärkehaltigen Speisen kann die Bräunung (Maillard-Reaktion) entweder durch hohe Temperaturen oder die Dauer der Zubereitungszeit hervorgerufen werden. Warum wird überhaupt auf die Temperatur eingegangen, wenn scheinbar der Bräunungsgrad der eigentlich entscheidende Faktor zu sein scheint? Angenommen Pommes werden in einer Fritteuse zubereitet, dann wird oft empfohlen, den kritischen Schwellwert von 170° C nicht zu überschreiten. Dann benötigt man für das gewünschte Resultat einfach ein wenig länger als bei 190 °C. Der Nachteil an der niedrigeren Temperatur und längerer Frittierdauer ist der höhere Fettgehalt dadurch weniger knusprige Pommes - der Bräunungsgrad ist durch den Zeitfaktor am letztlich identisch. Über eine Aufklärung würde ich mich sehr freuen. Danke!
@Bernhard.Barg: Röstkaffee haben wir nicht untersucht. Bei Röstkaffee gilt ein Richtwert von 400µg/kg, bei löslichem Kaffee ein Wert von 850µg/kg. Der Acrylamidgehalt ist u.a. vom Röstgrad abhängig. Die Sorte Arabica enthält tendenziell geringere Acrylamidgehalte als die Robusta-Bohne und Filterkaffee ist weniger belastet als löslicher Kaffee. Die Acrylamidwerte ihres Kaffees können Sie beim Hersteller erfragen. (bp)
Sie haben Espressobohnen auf Acrylamid geprüft. Wie sieht es aber mit dem normalen (Bohnen-)kaffee aus?
Sicher kann man versuchen, die Aufnahme von Acrylamid zu senken, aber man kann es nicht vermeiden, wie wahrscheinlich 1000 andere potentiell krebserregende Stoffe. Fazit: Das Leben ist nun mal lebensgefährlich. Generell kann man die Maillardreaktion bei vielen Gerichten lange genug bei 110-120° steuern (z.B. Zwiebeldünsten) , und so Aroma erzeugen,und sich kaum Acrylamid bildet, und höhere Temperaturen (z.B. Karamellisierung) möglichst kurz anwenden.
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